Da ich über zwei Jahre lang in Kamerun gearbeitet hatte, teilte man mir in Dakar die Aufgabe zu, meine diesbezüglichen Kontakte zu reaktivieren. In einer Außenstelle der ENDA in Yaoundé pflegte ich eine Beziehung zu Dr. Dikoumé, dem Anthropologen und Forschungsleiter im IPD in Douala.
Unser lokaler Mitarbeiter bestellte bei einem Tischler in Yaoundé eine Palmölpresse zur Testung, diesmal ganz aus Holz, da die Tradition der geschmiedeten Pressen und dem Bronzeguss der Mutter in Zentralafrika nicht so verbreitet ist.
Wir fuhren in das Dorf Soa, 10 km nördlich von Yaoundé, heutzutage ein städtischer Vorort. Dort hatte eine Familie gerade die mühsame Arbeit der Palmölverarbeitung begonnen. Bei diesem Vorgang müssen die roten Kerne zuerst von den, von den großen lokalen Palmen geernteten Fruchtbündel getrennt werden. Diese werden dann erhitzt und im Mörser gestampft, damit sich das wiederum das Fruchtfleisch von den Kernen lösen kann. Das Fruchtfleisch wird dann in den Presszylinder eingefügt und der Deckel mit dem Hebel soweit hinunter geschraubt, bis das rote Palmöl unten austritt. Der Versuch klappte sehr gut.
Die Palmölgewinnung ist hier gut in das Ökosystem integriert und es müssen keine Urwälder gerodet werden.
Das so gewonnene Öl wird nur lokal konsumiert. Für die Gewinnung des wertvolleren weißen Palmöls, das von Asien aus in Unmengen exportiert wird, bräuchte es motorisierte „Nussknacker“-Geräte, die sich jedoch bei den geringen Mengen nicht rechnen würden.
Am Rückweg besuchten wir noch ein zweites Projekt, die Verwendung der CINVA-Ram Presse, die in Bolivien für den lokalen Hausbau entwickelt worden war. Diese Presse erzeugt einen Druck von 25kg/cm², welcher für ebenendige Häuser ausreicht (für größere Häuser muss man aber auf motorisierte Pressen mit einem Druck von 100kg/cm zurückgreifen). Ihr Einsatz hat sich in vielen Ländern der 3. Welt bewährt.
Die Außenstelle der ENDA in Kamerun, Yaoundé existiert nicht mehr. Ihr Leiter starb einige Jahre später an Malaria und die Organisation konnte keine nachhaltige längerfristige Finanzierung für die Weiterführung finden. Ob sich die hölzernen Ölpressen trotzdem durchgesetzt haben, müsste man noch untersuchen.
Ölpressen und Biogas, Senegal 1983
/in Projekte Entwicklungshilfe/von Hans Geisslhofer1982 – 1984 hatte ich einem Vertrag mit der österreichischen Entwicklungshilfe für ENDA (Environment Development Action) in Dakar. Man hatte mich gebeten, über diese Agentur eine Finanzierung für die Verbesserung der lokalen Palmöl-Produktion mittels lokal hergestellten Ölpressen zu erreichen – was wir damals dann auch sehr unbürokratisch, als Begleitgeld für unseren Einsatz, erhielten.
Ölpalmen wachsen im Senegal natürlich. Das rote Palmöl ist im Fruchtfleisch über den Kernen enthalten. In Afrika traditionelles Nahrungsmittel, wird es in Europa nur für Industrie und Kosmetik verwendet wird. Das weiße Palmöl für den Export muss erst maschinell aus den harten Kernen extrahiert werden, was sich nur in den großen Plantagen rentabel bewerkstelligen lässt. Die traditionelle uralte Technik des Bronzegusses zur Herstellung einer Mutter für die Stahlspindel, die sich dadurch kaum abnutzt, ist genial. Das Problem war nur, diese Spindel überhaupt erst mal zu bekommen. Es gab Verhandlungen mit einer von der UNIDO finanzierten industriellen Werkstatt in der regionalen Hauptstatt Ziguinchor, doch deren Drehbank war für unsere Zwecke überdimensioniert und deshalb nicht rentabel. Schlussendlich mussten wir die Stahlspindeln in den Hafen-Werkstätten in Gambia erwerben. Man gewährte den Dorfschmieden Kredit, den sie mit dem Erlös aus den Pressen tilgen konnten. Wir arbeiteten mit fünf regionalen Schmieden zusammen und das Projekt stieß auch auf internationales Interesse (z. B. bei der deutschen Entwicklungshilfe GTZ und ihrer Abteilung für angepasste Technologie GATE).
Dass generalüberholte kleine Drehbänke eine zentrale Technologie für die ländliche Entwicklung wären, inspirierte uns danach bei der Entwicklungswerkstatt Salzburg für unser Werkstätten-Konzept.
In dieser Zeit, als „small is beautiful“ in aller Munde war, versuchten wir auch eine Biogasanlage im Dorf Badiana zu errichten. Ein erfahrener Techniker aus Burkina Faso wurde dazu angeheuert. Wir entschieden uns für eine Anlage mit Licht und einem Brenner zur Desinfektion von Spritzen und Gefäßen zur Versorgung einer Krankenstation. Das Dorf schaffte alle 3 Wochen eine Ladung Kuhdung, vermischt mit Stroh und viel Wasser herbei. Diese Vorzeigeanlage erzielte allgemeines Interesse. 1984 besuchte uns sogar der bekannte französische Agronom, Buchautor und erster grüner französischer Präsidentschaftskandidat 1984, René Dumont. Ihn interessierte nicht nur die Gaserzeugung, sondern vor allem die Verwertung des Kuhdungs, der nach der Vergärung als lokaler Dünger in die Gemüsefelder gebracht wurde. Kuhfladen dagegen verlieren in der Sonne sofort ihren Stickstoffgehalt und emittieren zudem auch Methan. Leider jedoch konnten sich die großen Biogasanlagen nicht durchsetzen, da die Dorfgemeinschaft oftmals nicht genügend organisiert ist. Und heutzutage werden zur Beleuchtung überall Solarpaneele verwendet.
Ich durfte dann eine Broschüre aus meinen Erfahrungen zusammenstellen: Geisslhofer Hans, Dorfentwicklung durch kombinierte Technologien. Erfahrungsbericht von ENDA Projekten in Westafrika im Rahmen der österreichischen Entwicklungshilfe, Zum Thema Sonderheft 2. Wien, Institut für Internationale Zusammenarbeit, 1984.
Studie über die Situation der Pygmäen im Süden Kameruns, 1985
/in Projekte Entwicklungshilfe/von Hans GeisslhoferAls Mitarbeiter der internationalen NGO ENDA mit Sitz in Dakar war ich auch für die Betreuung einer Außenstelle in Kamerun, einem meiner vorherigen Arbeitsplätze, zuständig.
Zusammen mit dem Anthropologen Dr. Cosme Dikoumé durfte ich im Herbst 1985 einige Wochen im Urwaldgebiet im Süden des Landes verbringen und ein Jagdcamp der Ureinwohner, in der Nähe des Dorfes Bela, zwischen Edea im Norden und Kribi im Süden, besuchen.
Wir gingen mit den Pygmäen zum Fischen und Sammeln von Heilpflanzen in den Wald. Zum Jagen hätte man uns nicht gebrauchen können, aber das meiste Wild war leider ohnehin schon in unberührte Gebiete zurückgekehrt, der Lärm der Holzfäller hatte es vertrieben. Den Ureinwohnern bleibt dann nur noch die Wahl ebenfalls dem Wild zu folgen oder auf ihre gewohnte Lebensweise zu verzichten. Das bedeutet auch einen Verzicht darauf, ihre Kinder in die wenige Kilometer entfernte Dorfschule nach Bela zu schicken und einen Verzicht auf die Einkommensquelle Handel. Im unberührten Gebiet gibt es auch keine Märkte, auf denen sie Wild, Fische, Wildhonig und Heilpflanzen vertreiben können, um sich in den dortigen kleinen Läden mit Gütern des täglichen Bedarfs zu versorgen. Die wichtigste Heilpflanze ist eine Liane, Strophantus. Ihr Saft wird in Europa zur Herstellung eines teuren Medikamentes für Herzkranke verwendet. Nach Auskünften der Pygmäen ist der Preis, den sie von den lokalen Zwischenhändlern bekommen 100 Mal geringer als der Verkaufspreis in Europa!
Die französischen Holzexportfirmen schlägern nur die Edelhölzer und sind verpflichtet sie wieder nachzupflanzen. Aber ohne Lärm und das Anlegen von Pisten, sozusagen von einem Baum zum anderen, lässt sich das nicht machen. Ein weiteres Problem stellt die über 3000 km lange Öl-Pipeline zwischen dem Tschad und dem Tiefseehafen bei Kribi, die dem Urwald zwar nur einen schmalen Streifen abringt, aber die Wildpfade durchschneidet, dar. Sie wurde 2003 fertiggestellt.
ENDA-Broschüre zum Thema
Testung von Palmölpressen / Ziegelpressen, Kamerun 1986
/in Projekte Entwicklungshilfe/von Hans GeisslhoferDa ich über zwei Jahre lang in Kamerun gearbeitet hatte, teilte man mir in Dakar die Aufgabe zu, meine diesbezüglichen Kontakte zu reaktivieren. In einer Außenstelle der ENDA in Yaoundé pflegte ich eine Beziehung zu Dr. Dikoumé, dem Anthropologen und Forschungsleiter im IPD in Douala.
Unser lokaler Mitarbeiter bestellte bei einem Tischler in Yaoundé eine Palmölpresse zur Testung, diesmal ganz aus Holz, da die Tradition der geschmiedeten Pressen und dem Bronzeguss der Mutter in Zentralafrika nicht so verbreitet ist.
Wir fuhren in das Dorf Soa, 10 km nördlich von Yaoundé, heutzutage ein städtischer Vorort. Dort hatte eine Familie gerade die mühsame Arbeit der Palmölverarbeitung begonnen. Bei diesem Vorgang müssen die roten Kerne zuerst von den, von den großen lokalen Palmen geernteten Fruchtbündel getrennt werden. Diese werden dann erhitzt und im Mörser gestampft, damit sich das wiederum das Fruchtfleisch von den Kernen lösen kann. Das Fruchtfleisch wird dann in den Presszylinder eingefügt und der Deckel mit dem Hebel soweit hinunter geschraubt, bis das rote Palmöl unten austritt. Der Versuch klappte sehr gut.
Die Palmölgewinnung ist hier gut in das Ökosystem integriert und es müssen keine Urwälder gerodet werden.
Das so gewonnene Öl wird nur lokal konsumiert. Für die Gewinnung des wertvolleren weißen Palmöls, das von Asien aus in Unmengen exportiert wird, bräuchte es motorisierte „Nussknacker“-Geräte, die sich jedoch bei den geringen Mengen nicht rechnen würden.
Am Rückweg besuchten wir noch ein zweites Projekt, die Verwendung der CINVA-Ram Presse, die in Bolivien für den lokalen Hausbau entwickelt worden war. Diese Presse erzeugt einen Druck von 25kg/cm², welcher für ebenendige Häuser ausreicht (für größere Häuser muss man aber auf motorisierte Pressen mit einem Druck von 100kg/cm zurückgreifen). Ihr Einsatz hat sich in vielen Ländern der 3. Welt bewährt.
Die Außenstelle der ENDA in Kamerun, Yaoundé existiert nicht mehr. Ihr Leiter starb einige Jahre später an Malaria und die Organisation konnte keine nachhaltige längerfristige Finanzierung für die Weiterführung finden. Ob sich die hölzernen Ölpressen trotzdem durchgesetzt haben, müsste man noch untersuchen.
Projektentwurf zur Bekämpfung der Wüstenbildung in Thiès, Senegal 1983
/in Projekte Entwicklungshilfe/von Hans GeisslhoferNach meinem Einsatz bei der UNDP in Guinea-Bissau bekam ich einen Vertrag mit der österreichischen Entwicklungshilfe am internationalen Umwelt-Entwicklungs-Institut ENDA in Dakar im Senegal. Ich kannte den Direktor Jacques Bugnicourt schon von meinem Einsatz in Bissau, wo er zu einem Workshop eingeladen war.
Meine Aufgabe enthielt zwei Schwerpunkte:
Im Gebiet von Thiès, 70 km östlich von Dakar, trafen Bauern und Viehzüchter auf engem Raum zusammen, was einerseits zu Problemen für die Vegetation und andererseits zu Konflikten innerhalb der Bevölkerung führte. Die Nomaden und die Bauern konkurrieren bezüglich der knappen Wasservorräte. Nur der Bau dezentraler Brunnen und die Installation von einfachen Handpumpen, die vor Ort gewartet werden können, sind geeignet hier Abhilfe zu schaffen. Die Tiefbohrungen auf 300 m, die fossile Wasservorkommen erschließen, ziehen dagegen die ganz großen Rinderherden an und verbrauchen viel mehr Grundwasser wobei die Wüstenbildung noch verstärkt wird. Die Handpumpen erleichtern auch die mühsame Arbeit der Frauen beim Wasserschöpfen, und ermöglichen die Bewässerung von lokalen Baumschulen für die Wiederaufforstung.
In Österreich gab es ein, vom damaligen Menschenrechts-Botschafter Walther Lichem und dem Bundesjugendring ventiliertes Projekt zur Wüstenbekämpfung in der Sahelzone. Vorsitzender des Bundesjugendringes war damals der spätere Bundeskanzler Alfred Gusenbauer. Über den Österreichischen Informationsdienst für Entwicklungspolitik (ÖIE) war ich während meiner Österreich Aufenthalte von der späteren EU-Abgeordneten Ulrike Lunacek zu neun Vorträgen (in allen Landeshauptstädten) über die Sahelzone eingeladen worden.
Der Film zeigt meine Erhebungen über die ENDA-Außenstelle Thiès. Trotz all dieser günstigen Konstellationen wurde kein entsprechendes Projekt realisiert. Jedoch inspirierten mich diese Vorerhebungen dann im Rahmen meiner der Arbeit in der Entwicklungswerkstatt Salzburg zu unserem Konzept einer „Sahel-Werkstatt“.
UN-Regionalplanungsexperte für die Entwicklung kleinerer Dörfer, Guinea-Bissau 1997
/in Projekte Entwicklungshilfe/von Hans GeisslhoferAb Mitte 1980 bis Juli 1981 war ich als Associate Expert bei der UNDP in Guinea-Bissau. Dieses Land hatte erst 1974, nach einem langen Krieg gegen die portugiesische Kolonialmacht seine Unabhängigkeit erlangt. Ich war dem Planungsministerium unterstellt, welches sich noch im Aufbau befunden hatte. Mein Einsatztort war Cacheu, am gleichnamigen Fluss im Westen des Landes.
Dort hatten die Portugiesen 1641 ein offenes Fort zum Einsperren der Sklaven errichtet, die dann von dort aus nach Kap Verde und in die Karibik verschifft wurden. Mein Arbeitsplatz und die Wohnung waren ganz in der Nähe. Die Versorgung mit Lebensmitteln war schwierig, aber man wusste, zu welchem Zeitpunkt ein Tier geschlachtet wurde und man sich dann dafür anstellen konnte. Im Gegensatz dazu gab es zu Spottpreisen Papayas, Bananen, etwas Gemüse und Austern aus den Mangrovenwäldern. Die Versorgungslage in der Stadt war teilwiese schlechter als am Land.
Ich machte Erhebungen in den Dörfern, um festzustellen, woran es am meisten mangelte. Vor allem ging es um einfache händisch betriebene Reisschälmaschinen aus Asien, um die mühsame Arbeit der Frauen beim Stampfen zu ersetzen, sowie um Netze für die Fischer und Kleinkredite, um diese auch finanzieren zu können. Jede Woche erstattete ich meinem Counterpart im Planungsministerium darüber Bericht. Dort war man aber mit täglichen dringenden Angelegenheiten meistens überfordert, und so ließ man mir freie Hand.
Im November 1980 wurde der Präsident Luis Cabral gestürzt, und das UN-Projekt aufs Eis gelegt. Zuvor hatte er noch Cacheu besucht, mir die Hand geschüttelt und erwähnt, dass das Land viele solche Experten bräuchte. By the way war er der einzige Präsident, der mich jemals begrüßt hatte. Somit versuchte ich, den Fischern Kleinkredite über die Österreichische Entwicklungshilfe zu verschaffen und konnte auch einen Nachfolger für mich erreichen, da mein UN-Job bald auslief.
Ich verfasste einen Bericht über meine Erhebungen in den Dörfern, den ich dann im Senegal publizierte. Geisslhofer, Hans. Planification Villageoise en Guiné–Bissau. Problemes-Experiences-Perspectives. Enda 1981/10 25p Serie Etudes et Recherches
Lehrauftrag am Panafrikanischen Institut für Entwicklung (IPD), Kamerun 1979
/in Projekte Entwicklungshilfe/von Hans GeisslhoferNach einem Kurzeinsatz in Marokko für eine Raumplanungsstudie erhielt ich vom Panafrikanischen Institut für Entwicklung (IPD) einen Lehrauftrag in Douala, der größten Stadt Kameruns am Wouri Fluss nahe dem Atlantik. So lehrte ich von Dezember 1977 bis November 1979 jungen Beamten und Mitarbeitern von Entwicklungsprojekten Kartographie, Regionalentwicklung und Raumplanung.
Im Lehrsaal übten wir das Karten-Zeichnen mit Transparentpapier und versuchten uns die Höhenlinien zu veranschaulichen. Wir erstellten händisch vergrößerte Ausschnitte für die Gebiete, die wir dann besuchten; Fehler und Tintenkleckse musste man mit Tusche und Rasierklinge ausbessern. Auch führten wir viele Studien vor Ort in den Dörfern durch, führten Interviews mit den Betroffenen, erstellten Berichte.
Im Norden Doualas gab es eine Entwicklungsorganisation für das Nkam Department, die den Anbau und die Vermarktung von Kakao und Kaffee managte. Aber es gab Klagen, dass die Bauern bei der Einstufung der Qualitätsunterschiede übers Ohr gehauen wurden. Der zuständige Präfekt lobte unsere gut recherchierten Berichte, aber mahnte uns, dass wir nicht zu viel schreiben sollten.
Im Küstengebiet bei Kribi befassten wir uns mit den schon in der Kolonialzeit errichteten Plantagen zur Kautschuk- und Palmölgewinnung. Hier ging es um die prekären Arbeits- und Lebensbedingungen der Landarbeiter. Dort gab es damals noch einen unberührten Sandstrand ohne jeglichen Tourismus – im Gegensatz zu heute. Wir besuchten auch eine Pygmäen-Siedlung in Bipindi, in der katholische Schwestern eine Gesundheitsstation und Handwerkerausbildungsstätte betrieben. Das Ausmaß der tatsächlichen Probleme der Pygmäen – angesichts der Urwaldzerstörung – konnte ich aber erst bei meiner Studie 1985 mit dem Anthropologen Dr. Cosme Dikoumé erfassen.
Mein Einsatz wurde von der österreichischen Entwicklungshilfe finanziert. Da Kamerun kein Schwerpunktland war konnte er nicht verlängert werden. Auch eine geplante Studie über die Auswirkungen des Zellstoffwerkes auf die Umwelt und die einheimische Bevölkerung wurde nicht mehr realisiert.
Petition gegen die Zellstofffabrik CELLUCAM in Kamerun, 1979
/in Projekte Entwicklungshilfe/von Hans GeisslhoferIch war seit Ende 1977 über die österreichische EZA als Professor für Regionalplanung und -entwicklung in Kamerun am Institut Panafricain pour le Développement in Douala EZA angestellt.
Im Sommer 1979 erfuhren wir, dass die VOEST ein großes Zellstoffwerk bei Edea baut, und dass zu diesem Zweck unberührter tropischer Urwald abgeholzt wird.
Gemeinsam mit einem Kollegen vom Deutschen Entwicklungsdienst fuhr ich mit einem kleinen R4 die bereits fertig gestellte Piste quer durch den Urwald und machte mit meiner kleinen Super8-Kamera Aufnahmen. Links und rechts der Straße waren anscheinen mit Caterpillar große Urwaldriesen geschlägert worden. Der Boden trat nackt zutage, was die Erosion in diesen Breiten (4 m Niederschlag/Jahr) sehr verstärkt. Die einheimische Bevölkerung war überhaupt nicht gefragt worden. Aber man hatte sich Arbeitsplätze und einen wirtschaftlichen Aufschwung erwartet.
Im Sommer 1979 war ich dann in Österreich und nahm mit einigen Kollegen an der UNO-Konferenz für Wissenschaft und Technologie zur Entwicklung (UNCTAD UN Conference on Science and Technology for Development), im angeschlossenen NGO-Forum teil. Dieses Forum B, das „Forum der Nicht-Regierungsorganisationen“ begann eine Woche vor Konferenzbeginn. Von offizieller Seite wurde es misstrauisch beäugt: „Es wurde allerdings befürchtet, „dass das Forum von extremistischen Gruppen benützt wird, um sich in Szene zu setzen. Aufgrund der Konferenzthematik ist jedenfalls damit zu rechnen, dass Gruppen wie die Atomgegner, die Umweltschützer, die Vertreter pazifistischer Bewegungen u. a. an dem NGO-Forum regen Anteil nehmen.“ http://austriaca.at/0xc1aa500e_0x00137254.pdf, S. 16
Gemeinsam mit einem Freund aus der Studentenbewegung verfasste ich eine Petition, die wir – damals noch mit einem riesengroßen „Telex“ Gerät – versandten. Da es aber eine sehr heterogene Mischung von verschiedensten Aktivisten war, gab es kein Echo dazu.
Die Zellstofffabrik wurde dann erst 1982 eröffnet. Nach 6 Monaten kam es zu einer Explosion und das Werk wurde stillgelegt. Der Urwald wurde so teilweise geschont. Die Verschuldung Kameruns nicht!
2002 schrieb die Wiener Zeitung; Nach einer Explosion im Jahr 1982 wurde Cellucam endgültig geschlossen und zu einer Industrieruine. Neben schwerwiegenden ökologischen Folgen, die die Errichtung des Werkes in Kamerun hinterließ, blieben aber vor allem die Schulden. https://www.wienerzeitung.at/nachrichten/sport/mehr_sport/334122_Ein-Millionengrab-fuer-Kamerun-aus-Oesterreich.html
Derzeit will die Regierung Kameruns diesen größten Industriefriedhof Afrikas mit einer industriellen Holzverarbeitung und einem Biomasse-Kraftwerk wieder reaktivieren.
Geblieben ist ein Schlager „Cellucam“, aus der Zeit, als sich alle Arbeitsplätze und Aufschwung erwarteten.
43 Jahre später habe ich meine alten Stummfilme gefunden und digitalisiert.
Phyra, Verdrängung der Nazi-Vergangenheit
/in Buch Kältesee/von Hans GeisslhoferMeinbezirk.at / Redaktion Alisa Haugeneder
Lunz am See zur “Nazi-Zeit”
/in Buch Kältesee/von Hans GeisslhoferMeinbezirk.at / Redaktion Roland Mayr